Erkrankungen des Immunsystems

Angeborene Immunschwäche

Weltweit sind mindestens 10 Millionen Menschen von einer angeborenen Immunschwäche betroffen, davon allein 1 Million in den USA. Trotz weiter Verbreitung sind diese Krankheiten der Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt.

Die Vererbung eines defekten Immunsystems wird als angeborene Immunschwäche bezeichnet. Bis zum heutigen Tage sind über 200 verschiedene solcher Defekte bekannt, die sich sowohl bezüglich der Schwere der Erkrankung als auch bezüglich des Krankheitsverlaufes wesentlich voneinander unterscheiden.

Angeborene Immunschwächen sind durch Erkrankungen, insbesondere Infektionen, gekennzeichnet, die immer wiederkehren, oft lange Zeit anhalten, den Körper schwächen und chronisch verlaufen.

Allgemeine Informationen

  • Eine angeborene Immunschwäche bleibt oft unentdeckt, da es keine einheitlichen charakteristischen Symptome gibt. „Gewöhnliche“ Infektionen der Ohren, der Lunge oder der Nebenhöhlen stehen oft im Vordergrund. Sie können aber auch den Magen-Darmtrakt betreffen oder die Gelenke. Sowohl Ärzte als auch die betroffenen Familien sind sich selten bewusst, dass die gemeinsame Wurzel aller dieser Symptome in einem defekten Immunsystem liegen kann.
  • Diese Infektionen können chronisch sein. Das heißt, sie kehren immer wieder zurück, manchmal häufiger und schwerer. Von schweren Formen der angeborenen Immunschwäche sind insbesondere Kinder betroffen.
  • Rechtzeitige Diagnose und Behandlung ist notwendig, um ein Fortschreiten der Infektionen, die leicht dauerhaften Schaden anrichten können, zu verhindern.
  • Die angeborene Immunschwäche unterscheidet sich wesentlich von der erworbenen Immunschwäche (AIDS). Obwohl beide Krankheiten das Immunsystem betreffen, wird die angeborene Immunschwäche vererbt und ist durch bestimmte Gene in einem Menschen verankert. Wie die Farbe der Augen ist sie nicht veränderbar und daher ein genetischer Defekt und keine Infektionskrankheit.
  • Fortschritte in der Erforschung der angeborenen Immunschwäche sind mit der immunologischen Forschung eng verbunden. Da die medizinische Wissenschaft immer mehr Einzelheiten des komplexen Immunsystems kennt, profitieren die Patienten von verbesserter Diagnostik und neuen Behandlungsmöglichkeiten. Wissenschaftler und Immunologen sind laufend gefordert, weitere Probleme um die angeborene Immunschwäche zu lösen und damit die Diagnostik und die Behandlung stetig zu verbessern und die Heilungschancen zu erhöhen. Vielversprechende Resultate haben bis heute Knochenmarkstransplantationen, die Gabe von Gammaglobulin und gentechnisch hergestellter Proteine, wie zum Beispiel Gamma Interferon, erzielt.

Einige Beispiele für Angeborene Immunschwäche

Bei der Angeborenen Immunschwäche handelt es sich um eine sehr komplexe Erkrankung. Je nachdem, welcher Bereich des Immunsystems betroffen ist, werden die verschiedenen Krankheiten in Gruppen zusammengefasst:

  • Überwiegender Defekt der Antikörperproduktion (Antikörper-Mangel)
  • Defekt der B- und T-Zellen (kombinierter Immundefekt)
  • Defekte Freßzellen
  • Komplement-Mangel

Überwiegender Defekt der Antikörperproduktion (Antikörper-Mangel)

Antikörper sind Eiweißstoffe, die auch als Immunglobuline bezeichnet werden. Diese Antikörper werden von B-Zellen produziert und sind für die Abwehr von Infektionen zuständig. B-Zellen sind imstande, unterschiedliche Immunglobuline zu produzieren.

Der erste Typus Antikörper, der gegen einen Eindringling gebildet wird, ist das Immunglobulin M (IgM), ein noch relativ wenig stark an den Eindringling bindender Antikörper, der als erster den Fremdkörper bekämpft. Das Immunglobulin G (IgG) folgt aber dem IgM gleich nach und ist in der Lage, eine gezieltere und bessere Abwehr zu gewährleisten. Für die Verteidigung an der Oberfläche des Körpers produzieren B-Zellen Immunglobulin A (IgA). IgA schützt uns an den Körperöffnungen, wie z.B. dem Mund der Nase und der Lunge. Immunglobulin E (IgE) wird nur in geringen Ausmaß hergestellt und ist ein wesentlicher Bestandteil in der Abwehr von Parasiten und Würmern, aber auch für die Entstehung von Symptomen bei Allergien verantwortlich.

Über die Hälfte aller Primären Immundefekte entstehen auf Grund eines Antikörper-Mangels. Der Patient hat also entweder zu wenige B-Zellen oder seine B-Zellen arbeiten nicht ordnungsgemäß. Das heißt, sie produzieren entweder gar keine Antikörper oder zu wenige Antikörper. Manchmal sind sie auch nur einfach nicht in der Lage gegen ganz bestimmte Infektionen Antikörper zu produzieren.

Agammaglobulinämie(a=ohne, gammaglobulin=Antikörper, emia=Blutbahn)

Den überwiegend männlichen Patienten fehlen funktionierende B-Zellen. Der Säugling ist zunächst noch durch die Antikörper der Mutter geschützt. Mit 3 bis 6 Monaten kommt es dann aber zu häufigen bakteriellen Infektionen. Obwohl es keine Heilung gibt, ist eine Agammaglobulinämie mit einer lebenslangen Immunglobulintherapie sehr gut behandelbar.

Common (Allgemeine) Variable Immundefekte (CVID)

Der Patient hat zwar eine ausreichende Anzahl von B-Zellen, diese B-Zellen arbeiten aber nicht ordnungsgemäß. Auch die ebenfalls für die Immunabwehr notwendigen T-Zellen, können defekt sein. Diese Krankheit wird auch als Hypogammaglobulinämia (hypo=gering, gammaglobulin=Antikörper, emia=Blutbahn) bezeichnet. CVID kann im Kindesalter, in der Jugend oder auch erst beim Erwachsenen auftreten. Sowohl Männer als auch Frauen können betroffen sein. Einzelne Infektionen können mit Antibiotika behandelt werden, der Defekt selbst aber nur mit einer Immunglobulintherapie.

Hyper IgM-Syndrom

Ein Krankheitserreger wird von B-Zellen zunächst mit IgM Antikörpern bekämpft. Erst in der Folge werden auf Grund einer Information der T-Zellen spezielle Antikörper produziert. Bei einem Hyper IgM- Syndrom ist die Verständigung zwischen T-Zellen und B-Zellen gestört. Die B-Zellen erhalten kein Signal spezielle Antikörper zu herzustelle. Sie produzieren zwar eine große Menge von IgM Antikörpern, es fehlen aber die für die Bekämpfung einer Infektion notwendigen speziellen IgG-Antikörper. Entweder ist ein HyperIgM-Syndrom mit einer entsprechenden Immnunglobulintherapie gut behandelbar, oder es ist eine Knochenmarktransplantation notwendig.

Selektiver IgA-Mangel

Immunglobulin A ist der Wächter an allen Körperöffnungen. Er bekämpft dort Eindringlinge wie Bakterien und Viren, aber auch Giftstoffe oder bestimmte Nahrungsbestandteile. IgA Mangel ist die häufigste Form der angeborenen Immundefekte. Er bleibt aber in vielen Fällen unentdeckt. Erst wenn es zu einer Häufung von Atemwegsinfektionen kommt, die nur schlecht auf Antibiotika ansprechen, wird der IgA Mangel diagnostiziert. Obwohl es bei dieser Krankheit selten zu schweren Infektionen kommt, sind betroffene Patienten oft anfälliger für Allergien und Asthma oder Autoimmunerkrankungen wie Arthritis oder Diabetes.

Defekt der B- und T-Zellen (kombinierter Immundefekt)

Angeborene Immunschwäche kann aber auch durch einen kombinierten Mangel entstehen. Die beiden wichtigsten Waffen des Immunsystems, die Antikörper bildenden B-Zellen und die T-Zellen sind dabei defekt, das heißt sie funktionieren nicht ordnungsgemäß.

Schwere kombinierte Immundefekte (SCID)

Das ist die schwerste Form aller Immundefekte, sie ist aber auch selten. Nur etwa ein Kind von 50.00 wird mit SCID geboren. Aus verschiedenen Gründen können B-Zellen und T-Zellen Eindringlinge nicht erkennen und somit auch Krankheitserreger nicht abwehren. Jede Infektion wird dadurch lebensbedrohend. Die akute Erkrankung kann zunächst mit einer Immunglobulintherapie behandelt werden. Für Kinder, die mit einem schweren kombinierten Immundefekt geboren werden, ist aber eine so schnell wie möglich eingeleitete Knochenmarkstransplantation von einem geeigneten Spender notwendig.

Wiskott-Aldrich Syndrom (WAS)

Das Wiskott-Aldrich Syndrom ist durch eine schlechte Blutgerinnung und durch Hautausschläge, verbunden mit starkem Juckreiz, gekennzeichnet. Es treten aber auch schwere bakterielle Infektionen gehäuft auf, die von den defekten B-Zellen und den nur eingeschränkt funktionstüchtigen T-Zellen nicht abgewehrt werden können. Betroffen sind ausschließlich junge Buben, da ein defektes X-Chromosom vererbt wird. Viele der Patienten haben auch Brüder oder Onkeln, die an demselben Syndrom leiden. Auch hier ist die führende Therapieform eine Knochenmarkstransplantation.

DiGeorge Syndrom

Das DiGeorge Syndrom ist die Folge eines Geburtsfehlers. Es handelt sich dabei um eine Fehlentwicklung einer Gruppe von Zellen, die für das Wachstum von Kopf -und Nackenteilen zuständig ist. Die Entwicklungsänderungen können neben dem Gesicht, Teilen des Gehirns und dem Herzen auch den Thymus betreffen, in dem die T-Zellen heranreifen. Bei manchen Kindern ist der Thymus nur klein, arbeitet aber normal. Andere wiederum haben überhaupt keinen Thymus und deshalb auch nur wenige T-Zellen oder solche, die nicht ordnungsgemäß arbeiten. Das bedeutet aber, dass auch die B-Zellen keine Antikörper bilden können, da sie die notwendige Information von den T-Zellen nicht erhalten. Die Behandlung des DiGeorge Syndroms, hängt von den betroffenen Körperteilen ab. Im Falle eines fehlenden Thymus wird mit einer Immunglobulintherapie möglichen Infektionen vorgebeugt.

Defekte Fresszellen

Septische Granulomatose ist der Name für eine Gruppe von vererbten Immunerkrankungen, die durch defekte Fresszellen verursacht werden. Normalerweise verschlingen diese großen weißen Blutkörperchen Krankheitserreger und zerstören sie so. Bei der septischen Granulomatose können die Fresszellen aber keine sauerstoff – transportierenden Moleküle(Enzym) produzieren, die sie benötigen, um bestimmte Keime zu vernichten. Innerhalb der ersten zwei Lebensjahre erkranken betroffene Kinder ungewöhnlich häufig an schweren Infektionen, die mit herkömmlichen Antibiotika nur schlecht behandelbar sind. Bei prompter Diagnose verbunden mit einer starken Antibiotika Therapie gelingt es aber, diese Infektionen zu bekämpfen. Um weiteren Erkrankungen vorzubeugen wird eine kontinuierliche Antibiotika -Behandlung empfohlen. Kinder können auf diese Weise lange Zeit (mehrere Jahre) infektfrei bleiben. Durch die regelmäßige Gabe von Gamma Interferon kann sogar eine noch längere Zeitspanne erzielt werden.

Komplement Mangel

Das Komplementsystem besteht aus mehr als zwanzig verschiedenen Eiweißstoffen des Immunsystems, das eingedrungene Fremdkörper bekämpft. Nur wenn alle Bestandteile ordnungsgemäß zusammenarbeiten, ist ein optimaler Schutz gewährleistet. Bedingt durch eine erbliche Mutation kann eine Komponente verschoben sein und die gesamte Funktionstüchtigkeit ist somit beeinträchtigt.
Immunschwächen, die das Komplementsystem betreffen, sind jedoch nicht häufig. Sie verursachen auch bis ins Erwachsenenalter oft keine Infektionen.

Das Krankheitsbild selbst kann sehr unterschiedlich sein, je nach Art der erblichen Mutation. Dazu gehören bakterielle Infektionen genauso wie bestimmte Autoimmunerkrankungen (Erkrankung, die durch eine Abwehrreaktion gegen den eigenen Körper verursacht wird) oder Meningitis. Eine Heilung ist heute noch nicht möglich und es wird auch keine spezifische Therapie empfohlen. Trotzdem können schwere Infekte normalerweise durch eine entsprechende Behandlung verhindert werden.